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Sonntag, Oktober 1, 2023

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Nina Micic: „Ich bin wie eine Mutter für Vasa“

Nina ist 23 Jahre alt, Vasilije gerade einmal 20. Dennoch haben die Geschwister Micic schon serbische Sportgeschichte geschrieben: Nina hat als erste Snowboarderin ihres Landes 2014 im Slalom und Parallelslalom an den Olympischen Spielen in Sotschi teilgenommen. Vasilije, Spitzname „Vasa“, ist Junioren Vizeweltmeister und -Europameister, von den Philadelphia 76ers im NBA-Draft 2014 an 52. Stelle gezogen worden – und die große Point-Guard-Hoffnung des FC Bayern Basketball.

Nina und Vasilije Micic, Olympia-Snowboarderin und Point Guard des FC Bayern Basketball.
Nina und Vasilije Micic in ihrer serbischen Heimat. F.: privat

Hier spricht Olympia-Snowboarderin Nina Micic exklusiv über die ganz besondere Beziehung zu ihrem Bruder Vasilije vom FC Bayern Basketball, karrierebedrohende Verletzungen und den Stolz der Serben auf ihre Sportler

Frau Micic, war eigentlich immer schon klar, dass Vasilije Basketballer wird? Nein, zuerst war mein Bruder Wintersportler. Unsere Familie stammt ursprünglich aus den serbischen Bergen. Ich habe schon früh, mit fünf Jahren, mit dem Snowboarden begonnen und Vasa bald mit dem Skifahren. Und auch wenn es ein ganz anderer Sport ist als Basketball: Ich denke, es hat ihm in seiner Karriere durchaus geholfen, gerade was die Körperkontrolle und das Gefühl für Geschwindigkeit betrifft. Er war ein verrückter Kerl auf Skiern. Am Berg war er mit seinem blauen Helm immer die Attraktion, jeder kannte ihn. Denn er hat sich schon mit sechs Jahren Sachen getraut, die sich kein anderer getraut hatte. Er ist überall heruntergefahren.

Es heißt, sie hätten Vasilije letztendlich überredet, Basketballer zu werden. Er hatte, nachdem wir der Schule wegen nach Belgrad umziehen mussten, mittlerweile auch mit dem Fußball begonnen. Mit sieben Jahren war er dann für ein Basketball-Schülercamp angemeldet, tendierte aber eher zum Fußball. Er war zu diesem Zeitpunkt schon sehr groß und hatte sehr große Füße. Unsere Mutter und ich haben dann auf ihn eingeredet und ihn überzeugt, zum Camp zu gehen. Und obwohl Vasa drei, vier Jahre jünger war als die anderen Teilnehmer, hat ihn der Coach angenommen. Also, ja, ich denke ich denke es war durchaus meine Schuld, dass er jetzt Basketballer ist. Aber mit dieser Schuld kann ich leben. (lacht)

Waren Ihre Eltern auch Profisportler? Ja. Unsere Mutter war Handballerin, verletzte sich aber am Knie und entschied sich deshalb zu studieren.Unser Vater war Leichtathlet, einer der schnellsten in ganz Jugoslawien. Das hat auch dazu geführt, dass wir Kinder früh unter professionellen Bedingungen Sport betrieben haben.

Wann haben Sie begonnen? Ich war gerade einmal neun Jahre alt, als ich mein Leben komplett auf das Snowboarden ausgerichtet habe. Aber wir haben schnell gemerkt, wie kostenintensiv das ist. Deshalb hat Vasa mit elf Jahren mit dem Skifahren aufgehört. Nachdem er vier Mal in Serie serbischer Meister geworden war – das letzte Mal ohne Training! Er ist einfach zum Rennen gegangen und hat gewonnen. Aber letztendlich sehe ich ihn nicht als Einzelsportler, sondern als Teamspieler. Insofern war es die richtige Entscheidung, er fühlt sich in einer Mannschaft am wohlsten.

Haben Sie jemals andere Pläne, außer Snowboarderin zu werden? Ich war eine ziemlich gute Tennisspielerin. Aber Tennis hat mir nicht das gegeben, was das Snowboarden mir gibt: Die Geschwindigkeit, das Adrenalin. Snowboarden ist einfach zu zu hundert Prozent meine Sportart. Es ist ein Teil von mir.

Sie beide sind sportliche Aushängeschilder Ihres Landes geworden – Sie bei Olympia, Vasilije als Nationalspieler. Für unsere Familie ist das eine ganz große Ehre und wir sind sehr stolz darauf. Wissen Sie, Familien leben in Serbien und überhaupt dieser Region in Europa viel enger zusammen als etwa in Deutschland, der Zusammenhalt und das Wir-Gefühl sind sehr groß. Wir danken unseren Eltern und unseren Großeltern, dass sie uns unser Leben als Sportler soweit möglich gemacht haben. Denn es war nicht immer leicht, meine Mutter hat ihren Job aufgegeben, um für uns sorgen zu können.

Das Wir-Gefühl ist im ganzen Land ausgeprägter als in Deutschland, richtig? Ja, schauen Sie sich nur einmal die Feier an, als Serbien jüngst den Vizeweltmeistertitel im Basketball holte – die Party ging eine Woche lang! Das hat den Hintergrund, dass das Leben in Serbien nicht allzu einfach ist. Die Löhne sind niedrig und jede Generation hat einen Krieg überlebt oder die Folgen davon gespürt. Das Land braucht die Erfolge seiner Sportler, weil wir dann stolz sein dürfen, weil sie uns zusammenschweißen – und weil wir dann unsere Probleme auch einmal vergessen können.

Vom Geschäftsführer bis zum Assistenztrainer ist der FC Bayern Basketball ebenfalls sehr serbisch geprägt. Die Entscheidung für München ist ihm offenbar nicht allzu schwer gefallen. Vasa hat sich schon früh im Sommer festgelegt, dass er zum FC Bayern will. Vor allem wegen Trainer Svetislav Pesic. Und er mag Herausforderungen. Wenn du ihm eine gibst, dann wird er sich ihr stellen – und mit aller Macht daran arbeiten, erfolgreich zu sein. Natürlich war der Wechsel auch ein großer Schritt ins Ungewisse, schließlich war mein Bruder nie mehr als ein paar Wochen am Stück von zu Hause weg. Aber in München wurde er sehr gut aufgenommen, wie in eine Familie, vor allem von Dusko Savanovic. Er ist selbst Vater.

Beschreiben Sie Ihre Beziehung zu Ihrem Bruder! Als ältere Schwester bin ich wie eine Mutter für ihn. Wenn er sich verletzt hatte, habe ich das auch immer gespürt. Als ihm mit 17 Jahren das Kreuzband gerissen ist, war ich stets bei ihm, auch bei der Operation. Ich kann gar nicht anders, als mich um ihn zu kümmern. Ich hätte ihm so gerne geholfen, als er nach München gezogen ist, aber leider hatte ich die Abschlussprüfungen meines Wirtschaftsstudiums zu Hause. Aber er hat eine schöne Wohnung in Schwabing gefunden und neue Freunde gefunden. Jetzt bräuchte er bloß noch etwas Zeit um die neue Stadt kennenzulernen – er ist so auf den FC Bayern und seine Aufgaben dort fokussiert.

Er ist gerade einmal 20 Jahre alt – locken da nicht noch andere Versuchungen im Leben? Es liegt bei uns in der Familie, dass wir dem Sport alles unterordnen. Aber Profisport ist nicht einfach. Wann immer sich jemand beschwert, wie viel Geld wir Sportler angeblich verdienen, denke ich daran, auf was wir alles verzichten mussten: Ich konnte in der Schule nie an Reisen mit der Klasse teilnehmen. Ich hätte gerne von der Welt viel mehr gesehen, außer den Austragungsorten der Rennen. Aber diese Freiheit habe ich nicht. Klar gibt einem das Leben als Profisportler auch viel zurück. Wenn man bereit ist, die notwendigen Opfer zu bringen.

Was ist Ihr Eindruck vom Audi Dome und der Stimmung beim FC Bayern? Vasa kannte eine derartige Atmosphäre wie bei den Heimspielen bisher nur aus der Nationalmannschaft, sein bisheriger Verein war eher klein und hat hauptsächlich junge Spieler ausgebildet. Unserer ganzen Familie hat es beim Besuch in der Halle sehr gut gefallen, es ist schön zu sehen, dass in einer Stadt, in der der Fußball so eine große Rolle spielt, auch Basketball so gut angekommen wird. Ich weiß, dass Vasa gerne Deutsch lernen würde, wenn er nur die Zeit dazu findet.

Werden Sie in Zukunft öfter in München sein? Auf jeden Fall! Gerade in der Saisonvorbereitung bin ich nicht weit weg und vor allem auf den Gletschern in Österreich unterwegs, derzeit im Pitztal. Wobei ich den Pitztaler Gletscher nicht so gerne mag. Man fährt dort mit einer Standseilbahn durch den Berg, ich muss dabei immer an die Brandkatastrophe im Jahr 2000 in Kaprun denken, als 155 Menschen in so einem Tunnel ums Leben kamen. Den Hintertuxer Gletscher mag ich lieber.

Wie lange wollen Sie noch Snowboard fahren? Ich hatte letztes Jahr einen sehr schweren Unfall, der mich auch fast die Teilnahme an den olympischen Spielen gekostet hatte. Ich lag im Koma. Und später dachte ich auch daran, aufzuhören.

Was war passiert? Es war in Österreich, ich saß im Schnee und wartete auf meinen Start bei einem Wettbewerb. Über mir am Hang verlor jemand seinen Ski. Er schoss den Berg hinab und traf mich direkt im Rücken, meine Milz und meine Niere wurden schwer verletzt. Ich wurde mit dem Hubschrauber sofort ins Krankenhaus geflogen. Immerhin war die Wirbelsäule dank meines Rückenprotektors in Ordnung. Das war eine wahnsinnig schwere Zeit für unsere Familie. Naja, aber irgendwie habe ich es dann geschafft, rechtzeitig für die Olympischen Spiele wieder fit genug zu werden.

Vasilije Micic - designierter Star-Aufbauspieler des FC Bayern Basketball.
Vasilije Micic – designierter Star-Aufbauspieler des FC Bayern Basketball.

Wie geht es nun weiter? Was sind Ihre Ziele – und die Ihres Bruders? Jetzt ist mein Ziel, auch an den Olympischen Spielen 2018 teilzunehmen. Und danach möchte ich Sport mit meinem Wirtschaftsstudium verbinden, gerne in die Richtung Marketing gehen. Ich bin gerade einmal 23 Jahre alt und im Prinzip schon seit 13, 14 Jahren Profi. Das zehrt. Was Vasa betrifft: Natürlich würde er gerne einmal in der NBA spielen. Aber jetzt will er erst einmal mit dem FC Bayern erfolgreich sein. Er weiß, dass er noch so viel besser werden kann. Und so wie ich ihn kenne wird er alles dafür tun!

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