Es war der Moment des achten Spieltags in der easyCredit BBL. Der bislang mit einer Krebsdiagnose ausgefallene Sergio Kerusch ist zum ersten Mal wieder für sein Team aufgelaufen. Der MBC verlor zwar mit 99:107 bei den GIESSEN 46ers, doch strahlten alle Beteiligten aufgrund des Comebacks des MBC Akteurs. In knapp 18 Spielminuten lieferte Kerusch bereits wieder eine tolle Leistung ab, denn am Ende kam der Small Forward auf 12 Punkte und 4 Rebounds. Kurz vor seinem Comeback hatten wir die Möglichkeit mit Sergio Kerusch über dessen Krebserkrankung und den Weg zurück zu sprechen.
Tobias: Danke für deine Zeit Sergio. Lass uns einmal zu Beginn des Interviews auf die Reaktion der Liga und der Spieler zu sprechen kommen. Als deine Krebsdiagnose bekannt wurde, hat die gesamte Liga, die Clubs, die Spieler und die Fans Anteil daran genommen und dir großen Support entgegengebracht. Wie hat sich dies für dich angefühlt? Wie hast du es aufgenommen?
Sergio: Ich war mehr als überwältigt. Die Liga, die Fans, die Spieler und Stars der Liga wie auch der MBC haben mir einen tollen Support gezeigt, wie ich diesen auch von meinen Freunden und meiner Familie erfahren durfte. Für mich war es einfach toll zu sehen, dass trotz aller sportlicher Rivalität die Liga und das gesamte Umfeld zusammenhalten wenn es darauf ankommt. Um ehrlich zu sein, ich habe mich sogar etwas darüber erschrocken, denn ich hätte nie gedacht, dass meine Erkrankung ein solch positives Echo nach sich zieht in Sachen Unterstützung. Mir hat dies nicht nur psychisch geholfen mit der Situation umzugehen, denn es war zugleich auch ein Ansporn, noch stärker an meinem Comeback zu arbeiten, um zurückkehren zu können. Was ich zur Unterstützung aus der Liga unbedingt sagen möchte ist zudem, dass die BBL mit einer Stimme in dieser Sache gesprochen hat und somit zeigte, welch tolle Menschen und Persönlichkeiten sich in dieser oder im Umfeld dieser Liga bewegen.
Tobias: Du hast bereits die sportliche Rivalität angesprochen, die normalerweise in der Liga herrscht. Lass uns auf dich persönlich blicken. Als Profi-Basketballer bist du natürlich sehr auf dein Training und dein Spiel fokussiert. Hat sich bei dir der Fokus diesbezüglich verschoben, dass du nun sozusagen das Leben mit anderen Prioritäten durch diese Erkrankung versehen hast?
Sergio: Klar hat sich mein Fokus verändert. Es ging nicht mehr um Punkte oder Rebounds, es ging schlicht und ergreifend darum, um das eigene Leben zu kämpfen. Eine solche Diagnose ändert alles. Deine ersten Gedanken bei einer solchen Erkrankung drehen sich um die Frage, wie ernst die Krebsdiagnose ist. Im gleichen Zusammenhang denkst du natürlich auch als Spieler darüber nach, wie dies nun dein Leben verändern wird. Dann geht es weiter mit der Suche nach Informationen über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten und auch nach Informationen, in welcher weise sich beispielsweise die bis dato gewohnte Lebensqualität verändern könnte. Mein Fokus hat sich hierdurch natürlich auch etwas verschoben. Dieser liegt inzwischen auf mir als Spieler, auf meinem Team und auf meinem Leben – und zwar nicht getrennt voneinander, sondern vielmehr als großer und ausgewogener Mix. Das treibt mich auch bei meinem Comeback an, denn ich möchte meinen Mitspielern und meinem Team einfach auf und abseits des Courts helfen.
Tobias: Lass uns kurz bei dir als Profi bleiben. Du hast in den letzten Monaten sozusagen alle Ups und Downs mitgemacht. Erst bist du mit dem MBC von der ProA souverän in die Basketball Bundesliga aufgestiegen. Anschließend kam die Vorfreude auf die easyCredit BBL, bis es zur Krebsdiagnose kam. Wie ging es dir dabei? Wie hast du auf diese Veränderung psychisch reagiert?
Sergio: Um ehrlich zu sein – ich nahm diese neue Situation mit einem Lächeln an. Dies mag auf den ersten Blick seltsam oder irritierend erscheinen, doch das ist mein Naturell. Du darfst dich einfach von einer solchen Situation nicht unterkriegen lassen. Nimm den Kampf an und mach die notwendigen Schritte, denn wenn du zu Beginn bereits aufgibst, wirst du am Ende verlieren. Natürlich gibt es Momente, in denen man selbst traurig ist oder auch weint, aber du musst um dein Leben einfach kämpfen, um es schlussendlich wieder genießen zu können. Ich habe es auch von dieser Seite gesehen – nun bin ich am Boden, aber es kann nur noch aufwärts gehen. Daher war sofort mein Ehrgeiz geweckt, denn ich wollte zurückkommen, so dass die Marschroute zu diesem Zeitpunkt bereits klar war. Das Schlimmste was mit dieser veränderten Situation und diesem Tal einherging war persönlicher Natur. Ich hatte in der Vergangenheit bereits mehrere Familienmitglieder verloren, welche durch oder nach der Chemotherapie nicht mehr gesund wurden. Dies brachte natürlich Angst mit sich im Hinblick auf meine eigene Chemotherapie, doch ich musste durch diese Zeit, denn mein Ziel stand wie bereits erwähnt fest.
Tobias: Im Zuge deines Comebacks konnten die Fans bereits in den letzten Tagen und Wochen lesen, dass du wieder in der Trainingshalle warst und sogar einige Würfe genommen hast. War dieser einer der Momente, die dich nochmals gepushed haben? Dein Ziel wieder zurück als Profi zu sein, war schließlich hierdurch in sehr greifbare Nähe gerückt.
Sergio: Für mich war dies natürlich ein toller Moment. Nachdem ich mich nach meiner Chemotherapie wieder richtig bewegen konnte, gab es für mich nur noch diesen Weg in die Halle. Am Ende nahm ich Wurf um Wurf und blieb, bis ich 150 erfolgreiche Würfe gesammelt hatte. Hieraus kannst du als Spieler und Mensch viel Kraft ziehen, da du einfach siehst, dass du deinem geliebten Sport und Beruf wieder nachgehen wirst können. Wenn ich heute daran denke, kommt es mir etwas wie ein Superhero Movie vor. Dieser muss nach einem tollen Start zumeist auch ein tiefes Tal durchschreiten, was ihn am Ende jedoch nur besser und stärker werden lässt. Genau das habe ich mir auch vorgenommen und hierfür wird mir dieser erste Moment natürlich immer in Erinnerung bleiben.
Tobias: Lass uns zum Abschluss noch über deinen Verein und deinen Klub sprechen. Der MBC ist als große Familie bekannt, welche zusammenhält und zusammensteht. Hat dir dieser Hintergrund auch im Hinblick auf deiner Erkrankung bzw. den Umgang damit geholfen? Konntest du aus diesem Umfeld positive Energien als Antrieb ziehen?
Sergio: Keine Frage, wir sind ein verschworener Haufen. In meinen Augen passt unser Beiname der „Wölfe“ hierbei ganz gut, denn wir sind als Team tatsächlich so etwas wie ein Wolfsrudel. Als ich unserem Geschäftsführer Martin Geissler von meiner Diagnose erzählt hatte, antworte er mir sehr herzlich, dass ich mir keine Sorgen machen müsste. Das Team des MBC würde 100 prozentig hinter mir stehen und mir bei meiner Genesung helfen. Auch als ich den Coaches und meinen Mitspielern die traurige Mitteilung überbrachte, zeigte sich unser Zusammenhalt. Als Reaktion erhielt ich nicht nur Aufmunterung zugesprochen, sondern viele von ihnen hatten auch Tränen in den Augen, und so etwas geschieht nicht, wenn es zwischenmenschlich innerhalb eines Teams oder einer Organisation nicht passt. Im Verlauf meiner Erkrankung bekam ich immer wieder Besuch vom Team. So haben mich beispielsweise mein Physio Martin Jaschinski und mein Teamkollege Benjo täglich besucht und stets alles dafür getan, dass es mir an nichts fehlt. Natürlich möchte ich bei unserem Wolfsrudel unsere tollen Fans nicht vergessen. Sie haben Banner vorbereitet oder mir auch mit vielen Kleinigkeiten wie beispielsweise mit selbstgemachten Armbändern gezeigt, dass sie für mich da sind. Ich musste also nie alleine kämpfen, denn ich hatte neben meiner Familie und meinen Freunden auch stets dieses Wolfsrudel hinter mir.
Wir sagen Danke für dieses Interview und wünschen Sergio Kerusch und den gesamten MBC eine tolle Saison. Schön dich wieder auf dem Basketball Court zu sehen!