Die Playoffs sind vorbei, die ProA-Saison 2020/2021 ist nun also Geschichte. Was bleibt wohl am Ende von dieser in vielerlei Hinsicht besonderen Spielzeit länger als ein paar Wochen noch im Gedächtnis? Hier mein total subjektiver Rückblick:
Bemerkenswerter Zuschauerschnitt
Auf jeden Fall war es die Saison mit den wenigsten Zuschauern aller Zeiten: Nur 5.533 Besucher sahen die 203 Partien der Hauptrunde und sechs der 15 Vereine in der Barmer 2. Basketball-Bundesliga mussten sogar komplett und durchgehend vor leeren Rängen spielen. Das ergibt gerade mal einen Schnitt von 27,3 Zuschauern pro Spiel – allein, indem ich diese Zahl nur hinschreibe, wird mir bewusst, wie seltsam das war: Sport in (fast) leeren Hallen. Einerseits gruselig, andererseits nach über einem Jahr Corona fast schon Normalität. Auch, wenn es gelungen ist, die Runde im Großen und Ganzen gut über die Bühne zu bringen, so ist doch mein und der innigste Wunsch aller Basketball-Begeisterten, dass so etwas bitte nie wieder vorkommen soll! Keine Fans, keine Stimmung, keine Atmosphäre – ganz viel, was den Reiz des Sports und auch dieser Liga ausmacht, wurde durch ein kleines Virus verhindert, zum hoffentlich letzten Mal! Die aktuelle Lage gibt viel Hoffnung auf eine veränderte Situation zum Liga-Start in diesem Herbst.
Neuer Playoff-Modus
Was wird wohl außerdem hängen bleiben? Vermutlich der neue Playoff-Modus, der statt in Serien in Gruppen ausgetragen wurde und kurz vor der Ziellinie doch noch von Corona getroffen wurde. Dass es nun nur einen statt zwei Aufsteigern in die easyCredit BBL geben wird, hat damit allerdings nichts zu tun. Denn kurioserweise gab es in der Gruppe, in der alle 12 der angesetzten Partien auch wirklich ausgetragen wurden, keinen tatsächlichen Aufsteiger. Gruppensieger Bayer Giants Leverkusen, die grandiose Playoffs spielten und anstelle das von mir vorausgesagten „Züngleins an der Waage“ zu sein, die Gruppe in beeindruckender Manier gewannen, hatten keine Lizenz für die 1.Liga beantragt. Den Favoriten Science City Jena und ROSTOCK SEAWOLVES blieben nur die Plätze 2 und 3. Und da die Regularien keine Nachrücker vorsehen, gibt es in dieser Saison nur einen Aufsteiger: Die MLP Academics Heidelberg.
Heidelberg – eine Vision wird Realität
Die Heidelberger lieferten sich in ihrer Gruppe einen spannenden Zweikampf, nicht wie ursprünglich von mir vermutet mit den Eisbären Bremerhaven, sondern mit den Kirchheim Knights. Dieser gipfelte am 26. April im neuen Heidelberger SNP Dome in einem epischen Duell, dem vielleicht besten Spiel der Saison: Die Knights gewannen zwar in der 3. Overtime mit 118:114 und siegten anschließend auch noch in Bremerhaven. Allerdings verhinderten diverse Quarantäne-Anordnungen, dass die weiteren Spiele dieser Gruppe noch ausgetragen werden konnten, so dass die Academics mit drei Siegen aus vier Spielen den Gruppensieg und damit das BBL-Aufstiegsrecht holen konnten. Trotz dieser Umstände ist der Erfolg der Heidelberger mehr als verdient und außerdem perfektes Timing: Ganz pünktlich zur Eröffnung ihrer neuen Heimspielstätte schafften sie, worauf sie so viele Jahre hingearbeitet hatten – nach 36 Jahren den Sprung zurück ins Basketball-Oberhaus! Kontinuierliches, beharrliches Schaffen hat sich ausgezahlt, eine lange verfolgte Vision wird nun endlich Realität. Glückwunsch an den Neckar!
Vorfreude auf die nächste Saison
Freuen können wir uns alle auf eine vermutlich hochkarätige und spannende neue ProA-Saison. Ein hochkarätiger sportlicher Absteiger aus der easyCredit BBL, die JobStairs GIESSEN 46ers, haben sich den Klassenverbleib per Wildcard gesichert – gut für Gießen, schade für die ProA, das wäre eine echte Attraktion für die Liga gewesen. Allerdings kommt mit RASTA Vechta ein richtiges Kaliber aus der BBL, Ziel dort dürfte der sofortige Wiederaufstieg sein. Der tolle Playoff-Auftritt der vorletzten Saison hat in der Region für heftige Begeisterung und große Lust auf Wiederholung gesorgt. Dazu kommen die ambitionierten ProA-Teams, die in dieser Saison ihr Aufstiegs-Ziel nicht erreichen konnten, allen voran Rostock (mit neuem, aber Liga-erfahrenem Trainer) und Jena, sowie Standorte mit Erstliga-Visionen, wie Kirchheim, Artland, Schwenningen, Nürnberg oder vielleicht auch Leverkusen und Trier, wenn man es dort schafft, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Und mit den Eisbären aus Bremerhaven ist sowieso immer zu rechnen… Dazu steuert die ProB mit den VfL SparkassenStars Bochum einen ungewöhnlich starken Aufsteiger bei. (Dem Mit-Aufsteiger aus Itzehoe drücke ich die Daumen, dass es mit der Halle doch noch klappt – als Nürnberger weiß ich, wie ärgerlich das ist, wenn ein Aufstieg daran scheitert…) Dies alles macht Lust auf die neue Saison! Bevor die aber startet, hier noch schnell meine ganz subjektiven „Saison-Awards“:
Coach of the year: Hansi Gnad
Es gibt wahrlich einige bemerkenswerte Trainer-Persönlichkeiten in der ProA, aber mein „Trainer des Jahres“ ist Hansi Gnad aus Leverkusen. Er liefert seit Jahren eine richtig eindrucksvolle Arbeit ab: Er hat die Bayer Giants 2019 mit einer super Bilanz zur ProB-Meisterschaft und zum Aufstieg geführt, wäre in der letzten Saison als Neuling in die Playoffs gekommen (wenn es denn welche gegeben hätte) und hat nun den sportlichen Aufstieg in die BBL geschafft. Er macht Spieler besser und hat ein Team gebaut, in dem jeder seine Rolle hat und diese auch ausführt – großartige Arbeit und großartiger Trainer!
MIT (Most improved team): VfL Kirchheim Knights
Zu Beginn der Spielzeit noch ein recht unstrukturierter Haufen, haben sich die Knights im Lauf der Saison mehr und mehr gesteigert. Trainer Igor Perovic hat dem Ganzen eine Struktur gegeben und der Mannschaft seine Idee vom Basketball vermitteln können, das Team ist ihm gefolgt. Zuletzt scheiterte Kirchheim nur ganz knapp am Aufstieg, der aber für den sympathischen Standort wohl doch etwas zu früh gekommen wäre. Aber man hat in Kirchheim Gefallen am Erfolg gefunden: Der Vertrag mit Coach Perovic wurde langfristig verlängert, an den Strukturen auch neben dem Basketballfeld wird engagiert gearbeitet – mit den Knights muss künftig gerechnet werden!
MVP (Most valuable player): Niklas Würzner
Auch, wenn er in der Liga nicht unumstritten ist, so ist Niki Würzner doch Identifikationsfigur und Anführer der MLP Academis Heidelberg und für mich der MVP dieser Saison. Seit Jahren Leistungsträger, hat er auch diesmal wieder seiner Mannschaft in vielen kritischen Situationen geholfen, in der Crunch-Time Verantwortung übernommen und diesmal sein Meisterstück gemacht, indem er sich (s)einen Traum von der 1. Liga erfüllt hat. Dort traue ich ihm eine ähnlich starke Rolle wie Malte Ziegenhagen in Chemnitz zu – ich wünsche auch in der BBL viel Erfolg!
Das war sie also, die Saison 2020/2021 in der Barmer 2. Basketball-Bundesliga, doch wie immer gilt: Nach der Saison ist vor der Saison – drei Euro ins Phrasenschwein bitte…