In dieser Saison 2023/24 übernimmt mit Dyn Media ein neuer Anbieter die Live-Übertragungen der easyCredit BBL. Zu dessen Team gehört Fabrice Kao. Der Kommentator und Videojournalist muss keinem Fan vorgestellt werden. Durch seine Arbeit bei SPONTENT und als Basketball-Experte für die Bundesliga sowie die NBA ist Fabrice Kao bestens bekannt. Für uns ergab sich die Chance, ein längeres Gespräch mit ihm zu führen. Dabei sprachen wir über seine neue Aufgabe bei Dyn Media. Aber auch reichlich andere Themen kamen auf den Tisch.
Tobias: Lass uns bitte direkt mit deiner neuen Aufgabe bei Dyn beginnen. Du bist fester Bestandteil des Teams, welches sich ab dieser Saison um die Live-Übertragungen der easyCredit BBL kümmert. Wann kam es zur ersten Kontaktaufnahme? Und ab welchem Zeitpunkt war dir bewusst, dass dir diese neue Aufgabe sicher sein wird?
Fabrice Kao: Der erste richtige Kontakt fand über unseren Head of Live Content, Jan Willers, statt. Im weiteren Verlauf hatte ich sehr gute und vertrauensvolle Gespräche mit unserem Ansprechpartner aus der Basketballabteilung Dustin Knoke. Dustin hat sich vom ersten Moment an extrem viel Zeit in unseren Gesprächen genommen, was sich bis heute nicht verändert hat.
Tobias: Viele Fans waren mit dem Wechsel der Übertragungsrechte zu Dyn nicht glücklich. Mit welchen Argumenten würdest du die Fans von eurem Angebot überzeugen wollen?
Fabrice Kao: Sportfans bekommen neben den Liveübertragungen ihrer Lieblingssportart eine riesige Auswahl an verschiedensten Formaten der Berichterstattung. Da gibt es zum Beispiel Bastis und Sergios Corner, wo Bastian Doreth und Sergio Kerusch mit spannenden Gästen über den Basketball, aber gerne auch mal über andere Themen philosophieren oder „Dyn Mixtape“, eine Reihe, in der C-Bas und Paul Gudde Basketball-Highlights aus der Community bewerten. Und außerdem noch regelmäßige News-Videos mit mir, in denen über brandaktuelle Themen der easyCredit Basketball Bundesliga berichtet wird. Diese Nähe zu den Fans hat es in dieser Form noch nicht gegeben.
Tobias: Euer Team ist überaus bunt aufgestellt. Wie würdest du euer neues Experten- und Kommentatorenteam beschreiben? Konntest du bereits deine Kollegen kennenlernen? Auf welche Zusammenarbeit freust du dich am meisten?
Fabrice Kao: Aus dem Basketball kannte ich bereits viele meiner Kolleginnen und Kollegen. Am Ende des Tages sind wir alle ein Team. Bei unserem ersten Treffen habe ich mit Stefan Koch und Patrick Femerling innerhalb von vier Stunden gefühlt 20 Jahre Basketball-Geschichte analysiert. Hin und wieder musste ich echt schmunzeln, weil sie genau meinen Humor haben. Unsere Senior Managerin der PR & Kommunikation, Julia Päschke, hat mich übrigens zu einem Tryout in ihre Hobby-Basketball-Truppe eingeladen. Vielleicht gibt es also bald einen weiteren Transfer zu verkünden. Ich habe jede einzelne Person aus dem Office wirklich ins Herz geschlossen.
Tobias: Rechteinhaber Dyn wird alle Spiele der easyCredit BBL übertragen. Zudem wird beispielsweise ein Spiel pro Woche bei BILD TV gezeigt werden. Welchen Schwung erhoffst du dir als Kenner der Szene für den Basketball durch diesen Neustart?
Fabrice Kao: Schwung ist, denke ich, ein richtig gutes Stichwort, denn ich bin mir sicher, dass wir die Fans überzeugen werden. Wir wollen den Leuten draußen zeigen, dass wir den Sport gemeinsam auf ein höheres Level heben und ihn nahbarer machen als je zuvor. Es müssen nicht immer nur die Highlights aus der NBA um die Welt gehen, sondern so etwas kann auch in der Basketball Bundesliga funktionieren. Ich würde mir wirklich wünschen, dass die Leute auf den Basketball-Freiplätzen, aber genauso in Bussen und Bahnen eines Tages auch Mal über die Ergebnisse der easyCredit BBL vom Wochenende diskutieren, so wie es beim Fußball der Fall ist. Klingt ambitioniert, aber ich sehe dieses Potenzial in Deutschland.
Tobias: Hättest du dir vor einigen Jahren eine solche Tätigkeit vorstellen können? Kannst du uns etwas auf deinen Weg hin zu dieser neuen Herausforderung über die letzten Jahre mitnehmen?
Fabrice Kao: Ich glaube, dass ich in den letzten Jahren gelernt habe, dass es völlig in Ordnung ist, wenn ein Video oder ein Podcast nicht so gut ankommt, wie erhofft. Umso wichtiger war für mich die Erkenntnis, dass Kritik und Feedback so viel Gutes bewirken können. Dazu kommt, dass ich mich in vergangenen Projekten immer sehr darauf gefreut habe, neuen Menschen zu begegnen. Eine lustige Geschichte hierzu: wenn ich an Dyn denke, kommt mir als erstes immer eine Tasse Kaffee und unser CEO Andreas Heyden in den Kopf. Wir beide sind vermutlich Kölns größte Kaffee-Enthusiasten und tauschen uns regelmäßig über unser Lieblingsgetränk aus. Ich will nicht behaupten, dass ich ohne diesen Austausch außerhalb der Arbeit nicht abliefern könnte, aber er hilft mir schon.
Tobias: Lass uns einmal über die Entwicklung rund um den Basketball in den letzten Jahren sprechen. Mit der FIBA EuroBasket wurde im letzten Jahr wieder Feuer unter den Menschen für den Basketball-Sport entfacht. Die DBB-Auswahl sicherte sich Bronze. Spiele der EM wurden im Free-TV gezeigt. Zur neuen Saison kommt es zu neuen Medienpartnern. Mit Dyn ist auch der Springer Verlag deutlich stärker engagiert. Wie siehst du diese Entwicklung in den letzten Monaten? Welche Auswirkungen wird diese mit sich bringen?
Fabrice Kao: Genau da wollen wir anknüpfen und genau für solche Momente lieben wir den Sport. Ein weiteres Highlight sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben: Das Basketball Champions League Finale zwischen den Telekom Baskets Bonn und Hapoel Jerusalem. Dass so ein Finale in Deutschland frei zu empfangen war, kann ohne Zweifel als Meilenstein der Basketballgeschichte bezeichnet werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass noch mehr über den Sport gesprochen wird. Das gilt im Übrigen auch für die anderen Sportarten bei Dyn wie Handball, Volleyball, Tischtennis und Hockey.
Tobias: Lange Zeit ging der Blick der deutschen Basketballfans in Richtung von Nordamerika. Die NBA ist nach wie vor das Maß aller Dinge, doch kann insbesondere die easyCredit BBL bei immer mehr Fans punkten. Welche Faktoren sind deiner Meinung nach dafür ausschlaggebend? Welche Zukunft siehst du für die Bundesliga in den kommenden Jahren?
Fabrice Kao: Die NBA hat schon irgendwie den Vorteil, dass die ganze Welt auf sie schaut. Fans aus Spanien, Frankreich oder auch Serbien verfolgen in der Regel primär die Profi-Liga ihres eigenen Landes, aber bei der NBA sind alle am Start. Ich glaube, ein Grund, weshalb die Attraktivität der BBL und auch der anderen Top-Ligen aus Europa steigt, ist die Bewunderung und Abwechslung zwischen den Ligen. Es geht gar nicht darum, ob die NBA besser aufgestellt ist als europäische Mannschaften. Auch wenn wir uns viel aus Amerika abschauen können, halte ich es nicht für sonderlich sinnvoll, die NBA zu kopieren. Europa hat eine ganz eigenes „Flair“ mit allein vier verschiedenen internationalen Wettbewerben und man kann echt sagen, dass Basketball in Europa einen zunehmend höheren Stellenwert bekommt. Man muss sich nur mal klar machen, dass die letzten MVP’s der NBA allesamt aus Europa stammen. Das ist schon sehr aussagekräftig.
Tobias: Die Telekom Baskets Bonn konnten zuletzt die Basketball Champions League gewinnen. Die Bayern wollen eher kurz- als mittelfristig in der EuroLeague ein gehöriges Wort mitreden. Die Ulmer spielten eine tolle EuroCup Saison. Wie siehst du die sportliche Entwicklung der easyCredit BBL im internationalen bzw. im europäischen Vergleich?
Fabrice Kao: Die Entwicklung in Deutschland ist sehr besonders, vor allem in der Breite. Bundesliga-Teams aus dem oberen Mittelfeld können mittlerweile Top-Teams aus Europa das Wasser reichen. Ach stimmt, Bonn wäre da ja auch noch (kleiner Spaß). Als Kölner habe ich eine ganz spezielle Beziehung und Verbundenheit zu Bonn. Als Jugendspieler durfte ich regelmäßig gegen die Telekom Baskets antreten, was sowohl bei Zuschauern als auch bei den Spielern immer mit vielen Emotionen verbunden war. Zu sehen, dass ein Team aus NRW die Basketball Champions League gewinnt, war für mich ein absolutes Highlight, weil mir sofort bewusst wurde, dass der deutsche Basketball stark davon profitieren wird. Das Playoff-Finale zwischen Bonn und Ulm war dann die Kirsche auf der Torte. Wann gab es das zuletzt, dass Spiele in unter zwei Minuten ausverkauft waren? In der Breite gehört die easyCredit BBL für mich mittlerweile zu den Top-fünf Ligen in Europa.
Tobias: Unter den Fans wird durchaus diskutiert, ob zu viele traditionelle Standorte größeren Städten weichen müssen. Was denkst du – wohin wird die Reise in den kommenden Jahren führen? Wie empfindest du persönlich diese Entwicklung?
Fabrice Kao: Ich würde die These nur bedingt unterschreiben. Frankfurt ist letzte Saison abgestiegen und Vechta ist zurück in der Bundesliga. RheinEnergie Köln ging damals vermutlich Pleite, weil es für den Sport in einer Stadt wie Köln, die ganz klar vom FC dominiert wird, wirklich nicht leicht war. Ja, viele werden jetzt an die Hamburg Towers denken. Da finde ich es jedoch umso beeindruckender, was Marvin Willoughby dort aufgebaut hat, umzingelt von St. Pauli und dem HSV. Das war wahrscheinlich auch kein ganz leichter Job.
Tobias: Lass uns bitte einen sportlichen Ausblick auf die anstehende Weltmeisterschaft und die neue Saison in der easyCredit BBL werfen. In diesem Sommer ist zweifelsohne die WM das große Highlight. Nach der Bronzemedaille bei der Heim-EM traut sich die DBB-Auswahl einiges zu. Wie siehst du die Chancen auf einen erfolgreichen Verlauf der WM? Wie lautet deine Prognose für die Weltmeisterschaft?
Fabrice Kao: Ich bekomme nach wie vor Gänsehaut, wenn ich an das Spiel zwischen Deutschland und Litauen vor über 18.000 Zuschauern in Köln zurückdenke. Ob es wieder für eine Medaille reicht, ist schwer zu sagen. Sollten wir Gruppensieger werden, geht es mindestens in das Halbfinale. Als Gruppenzweiter könnte es hingegen schwierig werden.
Tobias: Ulm, Berlin, München und insbesondere Bonn müssen zur neuen Saison einen großen Umbruch hinnehmen. Aus deiner Sicht – wird diese Konstellation erneut eine Überraschung wie in der letzten Saison möglich machen?
Fabrice Kao: Die Bayern haben angekündigt, dass sie nächste Saison All-in gehen wollen, was sie mit ihren Transfers bisher bestätigt haben. ALBA könnte um Sterling Brown und Matt Thomas wieder eine neue DNA schaffen, ähnlich wie in Zeiten von Trainer Aíto García Reneses. Bonn musste zwar namhafte Abgänge verkraften, haben sich auf der anderen Seite aber genauso gut verstärkt. Mit Ulm muss man ab sofort sowieso immer rechnen. Ansonsten sehe ich die Oldenburger stärker als im letzten Jahr und auch bei den Ludwigsburgern wächst etwas zusammen. Ich bin sehr optimistisch, dass wir in der kommenden Saison erneut große Überraschungen erleben werden. Somit kann man auch gespannt nach Tübingen schauen, denn die Tigers leisten wirklich seit einigen Jahren exzellente Arbeit und sind völlig zurecht wieder in der Bundesliga. Wenn ich mir ihren Kader bisher anschaue, gehe ich stark davon aus, dass sie die Klasse halten werden.
Tobias: Der Pokalmodus wurde in diesem Jahr angepasst. Auch Teams aus der BARMER ProA nehmen teil. Wie siehst du den sportlichen Wert des Wettbewerbs unter den Teams? Und welche Chancen räumst du den ProA-Ligisten ein?
Fabrice Kao: Ich bin übrigens auch super gespannt auf den neuen Modus. Ich bin mir echt ziemlich sicher, dass wir mindestens ein Team aus der BARMER ProA in der nächsten Runde sehen werden. Wir werden vor allem erkennen können, inwiefern sich ein Klassenunterschied unter Wettkampfbedingungen bemerkbar macht oder eben nicht. Ganz Basketball-Deutschland freut sich auf diesen Modus, denn am Ende schreibt der Pokal ja bekanntlich seine eigenen Gesetze. Oh, da müssen jetzt wohl 5 Euro in Phrasenschwein.
Tobias: Kommen wir zum Abschluss noch auf den bisherigen Transfer-Sommer. Die Bonner verlieren nach einer sportlich erfolgreichen Saison die gesamte Mannschaft. Die wichtigsten Spieler Ulms verlassen den Meister. Spieler wie Mark Smith von Göttingen sind nicht in der Liga zu halten. Aus Ulm wurde teilweise von Wettbewerbsverzerrung aufgrund unterschiedlicher Steuersysteme gesprochen. Es wurde der Begriff „Financial Unfairplay“ zum Ausdruck gebracht. Wie siehst du diese Situation?
Fabrice Kao: Dass tut mir für die betroffenen Teams leid und ich hoffe sehr, dass auf der Ebene perspektivisch eine Lösung gefunden wird. Umso beeindruckender ist es zu sehen, wozu die Bundesliga-Clubs auf europäischem Niveau imstande sind. Andererseits konnten die EWE Baskets Oldenburg mit ihrem Superstar Dewayne Russel bis mindestens 2025 verlängern. Natürlich spielt Geld in diesem Business eine tragende Rolle, da erzähle ich nichts Neues. Aber wenn sich Spieler in der Stadt des Vereins wohlfühlen und zeitgleich von der Organisation und dem Weg überzeugt sind, müssen solche Verlängerungen nicht die Ausnahme sein.
Tobias: Bonns ehemaliger Trainer Tuomas Iisalo wechselte nach Paris und nimmt zahlreiche seiner Ex-Spieler mit nach Frankreich. Die Telekom Baskets holten sich Göttingens Coach als Ersatz und verpflichteten einige Göttinger Spieler. Wie siehst du diesen Umstand? Lässt sich ein Trend dazu ableiten?
Fabrice Kao: Ich verfolge Tuomas Iisalo schon sehr lange. Er hat eine klare Spielphilosophie und weiß genau, welches Spielermaterial er für sein System braucht. Daher ergeben die Verpflichtungen der ehemaligen Bonner rein sportlich absolut Sinn. Dass das Ganze in den Augen vieler Fans ein „Geschmäckle“ hat, verstehe ich, ist jedoch Teil des Geschäfts. Die Göttinger sind sicherlich auch nicht froh, dass sie mit Till Pape und Harald Frey zwei Leistungsträger und mit Roel Moors ihren Cheftrainer an die Bonner abgeben mussten. So schließt sich dann der Kreis.
Wir bedanken uns für die Möglichkeit für dieses Interview. Wir wünschen Fabrice Kao und seinen Kollegen von Dyn einen erfolgreichen Start in die neue Aufgabe!